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Der Blaue Tisch an der Lutherkirche in Hagen am 03.02.2012

Beim Blauen Tisch am 03. Februar 2012 ging es um die zukünftige Nutzung der Lutherkirche.
Die Veranstaltung des „Blauen Tisches“ in der Lutherkirche begann besonders stimmungsvoll: Die Nachmittagssonne, die durch die farbigen Fenster der Lutherkirche fiel, ließ den Kirchenraum erstrahlen. Orgelspiel auf der wertvollen und klanggewaltigen Ott-Orgel durch den Kirchenmusikdirektor Kamp erklang durch das sakrale Gebäude. Durch das Licht in Verbindung mit der Architektur der Kirche und der Musik konnten die Qualitäten des Kirchenraumes von den Teilnehmern empfunden und wahrgenommen werden.
Situation des Gebäudes erläutert
Unter dem Eindruck der Besichtigung und der Atmosphäre des Ortes wurde mit den Verantwortlichen anschließend diskutiert, wie es mit der Lutherkirche weitergeht und welche Nutzungsmöglichkeiten für das Bauwerk und durch die Nachbarschaft zur neu erbauten Moschee denkbar sind. Nach der Begrüßung durch den 1. Vorsitzenden des AIV Mark Sauerland, Dr. Stefan Bild, und die Übergabe der Moderation der Veranstaltung an den ehemaligen Stadtbaurat, Johann Dieckmann, erläuterte der Leiter der unteren Denkmalbehörde der Stadt Hagen, Georg Thomys, die stadtgeschichtliche, denkmalrechtliche und baurechtliche Situation des Gebäudes.
Konsequenzen des demografischen Wandels
Bei der anschließenden Erörterung und Diskussion am Blauen Tisch wurden von Herrn Superintendent Becker und der Vertreterin der Kirchengemeinde Frau Pfarrerin Juliane im Schlaa auf die seit Jahren stattfindende abnehmende Anzahl der Gemeindemitglieder hingewiesen. So verliert die Kirchengemeinde im Durchschnitt pro Jahr 297 Mitglieder. 1995 hatte die Gemeinde noch 13.417 Mitglieder, 17 Jahre später noch 8.961. Die Konsequenzen des demografischen Wandel dieser Gesellschaft können hier real nachvollzogen werden. Dies sei letztendlich die Ursache für die Konzentration der Seelsorge und Gottesdienste auf die Johanniskirche in der Innenstadt und die Markuskirche im Ischeland.
Nutzungskonzept für Finanzierung des Erhaltes notwendig
Für die Sanierung der Feuchtigkeitsschäden in den Kellerbereichen und Fundamenten, die Sanierung des Turms und die Wiederherstellung der Fassade wären laut Pfarrer Grote vom Kirchenkreis Hagen erhebliche Mittel einzusetzen. Um den weiteren Verfall der Bausubstanz der Kirche zu stoppen, wären zunächst für die Beseitigung von Schimmel- Feuchtigkeitsschäden und Schäden an der Fassade ca. 200.000 Euro erforderlich und für die Sanierung des Turmes ca. 600.000 Euro aufzuwenden.
Die weiteren Kosten für die Sanierung richten sich im Wesentlichen nach der künftigen Funktion des Gebäudes sowie den dafür erforderlichen Umbauten. Der Wunsch von Pfarrer Grote wäre es, die Kirche für Kulturveranstaltungen zu nutzen, die den Vorgaben und dem Charakter des Bauwerkes entsprechen. Ohne ein schlüssiges und wirtschaftlich tragfähiges Nutzungskonzept sei jedoch eine Förderung aus verschiedenen Töpfen des Landes nicht möglich, wie auch Georg Thomys betonte.
Kultur fördert Integration und Entwicklung
Werner Hahn, Leiter des lutzhagen, berichtete über seine Erfahrungen mit vielen Projekten, in denen Jugendliche unterschiedlicher sozialen Herkunft und verschiedenen Religionen gemeinsam durch die künstlerische Auseinandersetzung Wertschätzung und Anerkennung erfahren haben. Sie hätten somit Selbstbewusstsein erlangen und Fortschritte in der Persönlichkeitsentwicklung machen könnten, welches ohne die Beteiligung an den Projekten nie möglich gewesen wäre.
Nur durch gemeinsame künstlerische Beschäftigung durch Tanz, Theater, Musik und auch durch Sport ließen sich Toleranz und Verständnis für den Anderen vermitteln und würde Integration möglich. Die gemeinsame Arbeit sei der Schlüssel zum Erfolg. Voraussetzung für den Erfolg solcher sozial-kultureller Projekte sei jedoch die fachliche- und organisatorische Unterstützung der Jugendlichen. Durch einen beispielhaften Videoausschnitt des Projektes „Zäune“ konnte die Begeisterung der Jugendlichen, die an dem Projekt im Kulturhauptstadtjahr 2010 mitgewirkt hatten, vermittelt werden. Durch die gemeinsamen Proben und die Aufführungen konnten die Vorurteile der jüdischen, christlichen und islamischen Jugendlichen untereinander, die auch unterschiedlichen sozialen Schichten angehörten, abgebaut und „Zäune“ beseitigt worden. Durch das Projekt haben sich Freundschaften entwickelt. Für eine solche sozio-kulturelle Arbeit wäre die Lutherkirche ideal. Darüber hinaus würde dies eine Aufwertung des gesamten Bahnhofsbereichs nach sich ziehen.
Auch „Nachbarn“ begrüßen das Konzept
Auch Herr Orak, als Nachbar und Vertreter der islamischen Gemeinde, konnte sich sehr gut vorstellen, die Kirche als sozio-kulturelles Veranstaltungszentrum zu nutzen. Die islamische Gemeinde würde sich auch an Projekten, wie sie von Herrn Hahn vorgestellt wurden, beteiligen. Man habe sich damals bewusst für den Standort neben der Lutherkirche entschieden, um dort die neue Moschee zu bauen.
Der Neubau der Diakonie als Unternehmen und Teil des Kirchenverbundes konnte erst durch den Abriss des Pfarrhauses auf dem Grundstück errichtet werden. Als direkter Nachbar ist die Diakonie sehr an einer verträglichen Nutzung des Gebäudes interessiert. Ein schleichender Verfall wäre nicht zu akzeptieren, wie Herr Pfarrer Wehn betonte. Ein Konzept, welches den Charakter der ehemaligen Kirche respektiert, würde die Diakonie begrüßen und in Teilbereichen könnte er sich auch eine Unterstützung durch das Diakonische Werk vorstellen.
Vorschlag zur Nutzung als sozio-kulturelles Zentrum
Von den Teilnehmern wurden eine Vielzahl von Ideen und Vorschlägen eingebracht. Die Mehrheit war der Auffassung, dass ein der ursprünglichen Funktion des Gebäudes angemessener Nutzungsmix Grundlage für die weiteren Überlegungen sein sollte. So wurde vorgeschlagen, bereits gemachte Erfahrungen in anderen Orten bei der Umnutzung von Kirchen zu nutzen und deren Finanzierungmodelle zu prüfen. So sind teilweise ähnliche Konzepte über die Gründung von Stiftungen finanziert worden. Aufgrund der Vorgaben, die sich durch die vorhandenen Räume ergeben, ist nach übereinstimmender Auffassung der Teilnehmer am „Blauen Tisch“ eine Nutzung als sozio-kulturelles Zentrum die beste Lösung, zumal dann auch die Orgel für Konzerte und Musikveranstaltungen weiter genutzt werden könnte.
Initiativkreis Lutherkirche soll gegründet werden
Von Herrn Superintendent Becker wurde zum Abschluss der Veranstaltung vorgeschlagen, die Diskussion in einem Initiativkreis Lutherkirche fortzusetzen und gemeinsam ein Konzept für die Nutzung zu erarbeiten. Für die Mitarbeit meldeten sich spontan einige der Teilnehmer.
Herr Dieckmann stellte zum Abschluss fest: Die Mühe hat sich gelohnt. Durch die Diskussion ist ein Impuls ausgelöst worden, der in Verbindung mit den geäußerten Ideen sich vielleicht mit der Unterstützung des Kirchenkreises zu einem tragfähigen Konzept weiterentwickeln ließe. Er dankte der Kirchengemeinde und dem Diakonischen Werk für die Unterstützung.
Die Lutherkirche in Hagen
Der Vorgängerbau der Lutherkirche wurde 1889 erbaut. Es war die zweite evangelische Kirche, die in Hagen geweiht wurde – als Kopie der Lutherkirche in Leipzig. Sie war zugleich ein Symbol für die städtebauliche Entwicklung der aufstrebenden Industriestadt. Der Erbauer der 1960 eingeweihten Lutherkirche in Hagen war der bekannte Architekt und Kirchenbauer Gerhard Langmaack aus Hamburg (1898 – 1986). Mit der örtlichen Bauausführung in Hagen wurde damals Architekt Dipl. Ing. E.U. Kohlhage beauftragt. Diese Kirche der Moderne steht für den Wiederaufbau der Stadt. Wie der Architekt Bernhard van der Minde ausführte, ist sie ein wichtiges Bauwerk des Kirchenbaues der Moderne nach dem II. Weltkrieg und damit im Gegensatz zur Kopie der Vorgängerbauwerks ein Zeitdokument vom besonderen baukünstlerischen Wert. Der Architekt Langmaack hat den Kirchenbau vor und nach dem Krieg geprägt. Er gehörte zu den bekannten Kirchenbauern jener Zeit wie Dominikus und Gottfried Böhm, Otto Bartning, Rudolf Schwarz, Emil Steffan, Dieter Oesterlen, Denis Boniver, Hübotter Ledeboer Busch u.a., sowie den westfälischen Landeskirchenbauräten Nau und Schulz.
Besondere Bedeutung erlangte er nach dem 2. Weltkrieg, als er wichtige Wiederaufbauleistungen erbrachte, wie z.B. die Michaeliskirche in Hamburg und St. Nikolai in Kiel. Darüber hinaus entstanden zahlreiche Neubauten wie St. Nikolai am Klosterstern in Hamburg, die Thomaskirche in Espelkamp sowie in Hagen die Markuskirche am Ischeland und die Lutherkirche. Letztere dürfte als ein Meilenstein in der Geschichte des Kirchenbaus der Nachkriegszeit gelten und steht gleichermaßen bedeutungsvoll neben anderen herausragenden Sakralbauten unserer Stadt.
Langmaacks Kirchen finden ihre Begründungen in theologischen und psychologischen Erwägungen und sind als sakrale Räume vom Gemeindegottesdienst und von der Liturgie her konzipiert. Sie zeigen aber große Offenheit für freiere Ausdrucksformen und Gestaltungsvielfalt und haben die weitere Entwicklungsgeschichte modernen kirchlichen Bauens stark beeinflusst. Jede Kirche von Langmaack hat ihren eigenen Charakter und ist im Kontext zum Ort und der zugrunde gelegten Idee des Entwurfs entworfen und gebaut worden. Der Architekt entschied sich damals bewusst für die Erhaltung der Turmreste des Vorgängerbauwerkes, die mit dem neuen Turm umbaut wurden, um die geschichtliche Kontinuität zu wahren.
Die Orgel des Orgelbauer Ott mit ihrer Klangfülle ist für den Kirchenraum, durch die Seitenlage auf der Empore, gestaltet worden und damit Bestandteil des Denkmals. Sie ist ebenfalls ein Beispiel für die Entwicklung des Orgelbaues und eine wertvolles Instrument.
Der Standort des Gebäudes neben der neu erbauten Moschee ist zugleich ein Zeichen für das friedliche Miteinander der Religionen. Unabhängig von den Regelungen des Denkmalschutzes genießt das Bauwerk öffentliches Interesse und Schutz durch seine stadtgeschichtliche und baukünstlerische Bedeutung nicht nur für die Stadt Hagen.

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